Wie FUTURE in Afrika Coaches ausbildet und was wir dabei gelernt haben


Ein Projektbericht von Wolfgang Steger


In den letzten Jahren ist nicht nur der Kreis der FUTURE-Trainer*innen internationaler geworden, auch das Einsatzgebiet der FUTURE-Methode hat sich deutlich erweitert. Zuletzt mit der Ausbildung von internen Coachs aus 22 afrikanischen Ländern (wie Kamerun, die Elfenbeinküste, Senegal, Kenia, Nigeria und Tansania).


Das SOS Kinderdorf International ist in 134 Ländern der Welt zum Wohl und Schutz von Kindern aktiv. 2020 startete es mit einem völlig neuen Ansatz des Lernens und der Entwicklung für Menschen, die täglich unmittelbar mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten: Die Care Professionals. Vor allem sind dies die SOS Kinderdorf Mütter und Väter.


Wie jeder Mensch und jede Organisation hat auch jedes Land und jeder Kontinent seine speziellen Gegebenheiten. Unsere besondere Herausforderung in diesem Projekt ist, den spezifischen kulturellen und menschlichen Ansprüchen der verschiedenen afrikanischen Länder gerecht zu werden. Ein erfahrener Jugendarbeiter aus Namibia schildert seine Motive, sich als Coach auszubilden so:


„Unsere Jugendarbeitslosigkeit in Namibia liegt bei fast 50 %. Besonders schwer haben es Kinder, die keine elterliche Fürsorge erleben. Kinder, die missbraucht wurden, die niemanden haben, der hinter ihnen steht. In meiner Arbeit möchte ich dazu beitragen, ein sicheres und liebevolles Umfeld zu schaffen, wo Lernen und Entwicklung Teil ihres Lebens ist. Damit junge Menschen Respekt und Würde entwickeln und selbständig ihr Leben gestalten können.“


Damit die Care Professionals des SOS Kinderdorf solche positiven Umfelder der Entwicklung schaffen können, werden sie speziell in ihrer eigenen Entwicklung gefördert. Innerhalb des SOS Kinderdorfs wurde dazu ein neuer Rahmen erarbeitet (das „Learning and Development Framework“). Damit die Care Professionals in ihren Kompetenzen eigenverantwortlich wachsen können, werden sie nunmehr von internen Coaches unterstützt – den Learning and Development Coaches (L&D).


FUTURE bekam 2022 den Auftrag, das Ausbildungsprogramm für diese L&D Coaches zu entwickeln und in einem Pilotprojekt in Afrika umzusetzen.


Unter Federführung unserer französischen FUTURE-Kollegin Maryvonne Lorenzen wurden mittlerweile zwei englischsprachige Lehrgänge und einer in französischer Sprache durchgeführt. Das Ziel dabei ist, mit den Menschen jene Fähigkeiten zu entfalten, mit denen sie sich selbst und andere Menschen eigenverantwortlich entwickeln können.


Die Beschaffenheit der Aufgabe stellte uns vor zahlreiche Herausforderung, die es zu meistern galt. Unter anderem waren dies:

  • Teilnehmer*innen aus unterschiedlichen Ländern mit unterschiedlichen Sprachen
  • Unterschiedliche Vorerfahrungen, Rollen und Hintergründe – vom studierten Psychologen und Trauma-Experten bis zur Kinderdorfmutter mit wenig akademischer Ausbildung
  • Eine schnelle praktische Umsetzung im konkreten Alltag zu ermöglichen

Doch zum Glück konnten wir dabei auf zahlreiche Stärken zurückgreifen, unter anderem diese:

  • Eine 30jährige Erfahrung in der Durchführung von Coaching-Ausbildungen, seit 15 Jahren auch speziell für unternehmensinterne Coaches
  • Den von FUTURE entwickelten Ansatz der wahrnehmenden Pädagogik mit ihrem Leitsatz: „Nur gestärkte Menschen sind in der Lage, andere zu stärken“
  • Ein gutes Verständnis der internationalen Coachingwelt durch unsere langjährige weltweite Tätigkeit als Assessoren im Rahmen des ICF

Schon vor der Ausbildung führten wir ausführliche Einzelgespräche mit allen Teilnehmer*innen, die uns halfen, sehr schnell bei den für die Teilnehmer*innen relevanten Themen anzukommen. Nie theoretisch-akademisch, sondern stets relevant für den konkreten Alltag.


Vom ersten Ausbildungstag stellten wir das praktische Tun in den Mittelpunkt, etwa Entwicklungsgespräche führen sowie Coachinginstrumente erlernen und anwenden. Immer wieder waren wir überrascht, wie schnell sich das Verständnis für dahinterliegende Haltungen und das sensible Gespür für Feinheiten der Kommunikation einstellte. Die sehr praxisorientierte Gestaltung öffnete den Raum und stärkte die Coaches in jenen Bereichen, die für ihre Alltagsrollen im SOS Kinderdorf zentral sind.


Ein paar stellvertretende Stimmen der Coaches schildern die Ausbildung so:


„Ich sehe Menschen jetzt mit den Augen für ihren potenziellen Erfolg anstatt für ihre Schwächen. Das L&D Coach Training hat meine Augen für das innewohnende Potenzial im Menschen geöffnet.“


„Ich spüre wie sich mein Engagement für die Aufgabe als SOS-Kinderdorf Care-Professional vollkommen erneuert hat. Aus diesem L&D Coach Training nehme ich gestärkte Fähigkeiten wie Empathie sowie Wertschätzung von Vielfalt und Inklusion mit. Ich kann besser zuhören und eine tiefere Verbindung mit Menschen erreichen.“


„Mein absoluter Favorit aus den erlernten Kompetenzen ist jene, Sicherheit und Vertrauen mit dem Coachee zu kultivieren. Das ist so wichtig für mich, weil es in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen von entscheidender Bedeutung ist. Dieses Prinzip gibt dem Coachee die Sicherheit, dass er/sie wirklich auf dem Weg unterstützt wird, die persönlichen Ziele zu erreichen.“


Wir FUTURE-Coaches haben uns sehr gefreut, zu erleben, wie die FUTURE-Methode und unser Coaching-Ansatz auch unter anderen kulturellen und sprachlichen Voraussetzungen wirksam sind. Die Begeisterung und die Freude unserer afrikanischen Coach-Kolleg*innen hat auch uns sehr viel Energie gegeben – und auch wir haben viel von ihnen gelernt.


Eine schöne Bestätigung war die Rückmeldung von Stewart Wilms, (International Director of Programme Development, SOS Kinderdorf International): „Mit diesem Coaching-Ansatz berühren Sie den Kern unserer Organisation!“


Im Anschluss sind die wesentliche Erfolgsfaktoren aufgeführt, die in unseren Augen zum Erfolg dieses internationalen Projektes in Afrika geführt haben.

  • Der tiefe Respekt für den individuellen Lebens- und Entwicklungsweg eines jeden Menschen, den die internen Coachs in dieser Ausbildung erlebt haben – und wie sie das stärkt in ihrem sozialpädagogischen Handeln und ihrer Alltagsrolle im SOS Kinderdorf.
  • Die Erfahrung, wahrgenommen, wertgeschätzt und verstanden zu werden – in dem Wesen, das jeder ist, in dem jeweiligen momentanen Sosein.
  • Die Coachinghaltung und die konkreten Coachinginstrumente des FUTURE-Coachings stärken Authentizität und die natürliche Herzenskompetenz. Darin konnten auch wir als Ausbildner noch so manches von unseren afrikanischen Coaches lernen.
  • Die Stärkung der Autonomie, der Eigenständigkeit, der Entscheidungsfreiheit der Menschen und die Freude an der eigenen Entwicklung.
  • Die Erfahrung, dass durch das Entwickeln der Coachingkompetenzen sie auch die Kompetenz in ihrer (anderen) Rolle erkannt und verbessert haben. Ebenso die Kompetenz, den Alltag zu meistern und in verschiedenen Situationen selber zu lernen.
  • Die FUTURE-Methode spricht sowohl Menschen mit hoher akademischer Ausbildung als auch Alltagspraktiker mit weniger formaler Bildung an, sie wirkt mehr über das Sein als über das Tun.
  • Die Vernetzung über Ländergrenzen hinaus – oft sind z. B. Psychologen allein in ihrem Dorf. Im Rahmen der Ausbildung haben sie Gelegenheit, mit anderen ähnlichen Berufsgruppen an anderen Orten ihre Erfahrungen auszutauschen.
  • Die Teilnehmenden haben erlebt, dass Empowerment funktioniert und sie andere unterstützen können, selbst Lösungen zu finden. Ebenso, dass sie ihren Alltag leichter bewerkstelligen können und Selbstvertrauen entwickelt haben.
  • Gerade der Verzicht auf „Advice“, auf Ratschläge, auf Expertenautorität ermöglicht, die Verbindung zu den eigenen Ressourcen und das Vertrauen in sich selbst zu stärken.
  • Coaching ist für viele zugänglicher als herkömmliche Schulungen. Eigene Emotionen, die dort eher zurückgehalten werden, haben ihren Platz. Die Menschen werden nicht erschlagen von der Wucht von über 100 Seiten schriftlich formulierter L&D Kompetenzen und können leichter die Verbindung zum Alltag herstellen.


Keyfacts zum Projekt

+Teilnehmende aus 22 afrikanischen Ländern
+Umfang der Ausbildung:

  • 60 h Coach-Training (entsprechend ICF Level 1)
  • 5 h individuelles Mentor-Coaching
  • 8 h Peergroups
  • Abschlusscoaching mit Feedback von ICF Master Certified Coach
    regelmäßige Supervisionen nach der Ausbildung

Wolfgang Steger
FUTURE-Certified-Trainer-Coach-Berater Wolfgang Steger

Über Wolfgang Steger

Als Programmdirektor dieses Projekts war und ist es Wolfgangs Aufgabe, in enger Zusammenarbeit mit Bianca Helfer und Maryvonne Lorenzen die Ausbildung möglichst punktgenau auf die Bedürfnisse, Möglichkeiten und Ziele aller Beteiligten abzustimmen.







Bianca Helfer - FUTURE Qualified Coach
FUTURE-Qualified-Coach  Bianca Helfer

Über Bianca Helfer

Als Initiatorin und interne Projektleiterin bei SOS-Kinderdorf International spielt Bianca Helfer für den Projekterfolg ein zentrale Rolle. Mit ihrem großen Gespür und der Erfahrung aus etlichen FUTURE-Ausbildungen leistet sie einen unschätzbaren Anteil an der gelungenen Planung und Umsetzung.







Maryvonne Lorenzen
FUTURE-Certified-Trainer-Coach-Berater Maryvonne Lorenzen

Über Maryvonne Lorenzen

Ein Projekt dieser Größenordnung erfordert viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung. Maryvonne hat selbst mehrere Jahre in Afrika gelebt und gearbeitet und in zahlreichen Erdteilen Trainings, Leadership-Programme und Coachings durchgeführt. Seit über 20 Jahren arbeitet Maryvonne bei der weltweiten Zertifizierung von Coaches im Rahmen des ICF (International Coaching Federation) mit und hat ICF Deutschland mitgegründet.



Erfahren Sie mehr über die Arbeit von FUTURE-International.

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1 Comment

  1. Das Projekt mit den SOS Kinderdörfern und der Ausbildung von Coaches in Afrika ist wunderbar. Ich denke, diese Unterstützung benötigen die Leutchen dringend. Bin selbst etwas aktiv bei Awamu- unser Uganda Verein hier in Wangen im Allgäu. Mein Sohn war einige Monate in einem Waisenhaus mit angegliederter Schule in Kamugongo / Uganda. Jährlich organisieren wir zu Weihnachten eine Hilfsaktion. Ganz tolle Sache von Future- mein Respekt. Uli Schnitzer

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